Seit ich angefangen habe, den Spuren von Ernst und W. Collin nachzugehen und das Gefundene online zu teilen, erhalte und schätze ich Emails von Sammlern, Antiquaren und Bibliothekaren. Sie bieten mir Anregungen, Hinweise, Bilder von Einbänden und üben Kritik.
Der Einband unten Die wahre Geschichte des Clavigo (Hamburg, 1774) wurde von W. Collin gebunden. Der Inhaber, Günter Trauzettel, ein Antiquar, schickte mir die Bilder mit der Frage, ob ich bei der Datierung helfen könnte. Der Pergamenteinband über Holzdeckel mit Spiegel und Vorsatz aus Seide ist vergoldet. Zudem hat der Einband einen Kopfgoldschnitt, ist zweiseitig unbeschnitten und dazu "schief eingebunden."
Es ist schwierig den Einband zu datieren. W. Collin wurde 1845 in Berlin etabliert. Der Einband selbst sieht anhand der eher weicheren/runden (nicht eckig) Einschlägen und Falz älter aus. Holzdeckel an einem Pergamenteinband aus dem späten 19./20. Jahrhundert sind eher ungewöhnlich, doch läßt sich das nicht leicht nachweisen - der Antiquar vermutet Holz wegen des Geräusches beim "Klopfen." Der Stempel lautet nicht "Hofbuchbinder", nur W.Collin Berlin. Der gleiche Stempel befindet sich auch in der Bernsteinhexe und ist in meinem Einband von Les Poèmes Dorés (1920) auf Seite 23 von Die Collins zu finden, sowie unten bei W. Collin Mappe und Etikette.
Die wahre Geschichte des Clavigo (Hamburg, 1774) |
Die wahre Geschichte des Clavigo (Hamburg, 1774) Seidener Spiegel | Silk doublure |
Die wahre Geschichte des Clavigo (Hamburg, 1774) W. Collin Stempel | W. Collin stamp |
Ein Beispiel für einen W. Collin Einband in einer Bibliothekssammlung ist Die Geschichte der Berliner Buchbinder-Innung während zweier Jahrhunderte, 1882, aus den Beständen der Berliner Staatsbibliothek. W. Collin war Innungsmitglied, als die Berliner eine Zwangsinnung war.
Am anderen Ende des Spektrums sind die Einbanddecken, die W. Collin für Verlage herstellte. Verlagsdecken beschrieb ich in einem früheren Beitrag, und es überraschte mich, einen Hinweis für diese in der Kunstzeitschrift Pan von 1898 zu finden. Der Hinweis stammt aus Skizzen und Buchschmuck aus der Kunstzeitschrift Pan, 1898, und ist auf Seite 31 der PDF
Hinweis zu W. Collin Einbanddecken Notice about W. Collin book covers |
Unten der erwähnte Entwurf von Ludwig von Hofmann aus Skizzen und Buchschmuck aus der Kunstzeitschrift Pan, sowie die Decke an Pan aus den digitalen Sammlungen der Universitätsbibliothek Heidelberg.
Pan: Entwurf von Hofmann Pan: Design by Hoffman |
Pan: Einbanddecke Pan: Cover |
W. Collin erhielt auch Aufträge für die Bibliothek von Harry Graf Kessler. Diese wurden nach Entwürfen von Henry van de Velde ausgeführt etwa um 1907, vor der Etablierung der Buchbindewerkstatt der Kunstgewerbeschule in Weimar. Die Einbände zählen jetzt zu den Beständen der Herzogin Anna Amalia Bibliothek (HAAB) in Weimar, die 61 Titel im Katalog aufführt. Viele wurden in Leder oder Pergament mit bedruckten Papier/Leinwand bezogenen Deckeln eingebunden. Andere sind in ganz Leinwand oder englischem Buckram gebunden. (Insgesammt hat die HAAB über 90 Einbände von W. Collin.)
So Sellinat und Simon-Ritz über die Einbaende von W. Collin in "Henry van de Velde als Buch- und Bibliotheksgestalter in Weimar," Imprimatur: ein Jahrbuch für Bücherfreunde. N.F. 23. 2013. München: Ges. der Bibliophilen. (S. 305-322):
"Die Qualität der Verlagsausgaben kann mit den auf Dauer und Solidität angelegten Einbänden nicht in jedem Fall wetteifern. So schützen zwölf Pergamenteinbände mit stabilen Deckeln eine Sammlung einzelner Schopenhauer-Titel aus Reclams Universal-Bibliothek um 1900. Eine tatsächliche Arbeits- und Reisebibliothek von »Taschenbüchern « nach dem Verständnis des 19. Jahrhunderts!"Van de Velde entwarf auch Kesslers Wohnung und Bibliothek, welche beim Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte - BildarchivFoto Marburg betrachtet werden können.
Der Aufsatz ist auch sonst sehr interessant und wertvoll, was Buchgestaltung und Buchbinderei während dieser Zeit betrifft, besonders, wo es um Gebrauchseinbände geht. Leider ist er nicht online verfügbar, deshalb mein Dank an Herrn Sellinat, ihn mit mir zu teilen.
ENGLISH
One of the best things that has happened since I began sharing my work around Ernst Collin and W. Collin is that I have received increasing numbers of emails from collectors, antiquarians, and librarians sharing their bindings and information.
The binding below on Die wahre Geschichte des Clavigo (Hamburg, 1774) that was bound by W. Collin. Günter Trauzettel, an Antiquarian in Germany, shared the pictures asking whether I had any information that might help date it. The full vellum binding [over wooden boards] is gold tooled, is gilt on the top edge with the fore- and tail-edges uncut, and silk doublures and flyleaves. In addition, he noticed that the book was bound "crookedly." Looking at the image of the doublure one can also notice a "lump" in the silk hinge where it goes under the doublures at top and bottom.
Dating the book is difficult. W. Collin was established 1845 in Berlin. The binding itself looks older based on the less sharply define joints, corners, ... Wooden boards on a vellum binding of this time would be very unusual, but the dealer feels certain that they are wood based on a "knock test" - it sounds like wood. Unfortunately, there is no damage... that would allow a peek into the boards. The binder stamp does not mention "Hofbuchbinder..," just "W.Collin Berlin." The same stamp was also found on the Bernsteinhexe and my binding of Les Poèmes Dorés (1920) on page 21 of The Collins and at bottom of W. Collin Mappe und Etikette.
[Images 1-3]
An example of a W. Collin binding in a library collection is Die Geschichte der Berliner Buchbinder-Innung während zweier Jahrhunderte (The History of the Bookbinding Guild Berlin Over Two Centuries), 1882, comes from the Berlin State Library. W. Collin were on-again off-again members of the Guild, with membership in the Guild not always required (Zwangsinnung).
On the other end of the bookbinding spectrum, W. Collin also provided covers for periodicals. I described these in an earlier post, and was surprised to find mention of W. Collin providing these, in this case for the journal Pan. The mention was found in Skizzen und buchschmuck aus der kunstzeitschrift Pan, 1898, on page 31 of the PDF.
[Image 4]
Below the cover design by Ludwig von Hofmann from Skizzen und buchschmuck aus der kunstzeitschrift Pan, with the actual cover from the Universitätsbibliothek Heidelberg's digital collections.
[Image 5-6]
W. Collin was also responsible for binding many volumes designed by Henry van de Velde for the Library of Harry Graf Kessler. These were bound around 1907, before the establishment of the bookbinding workshop at the Kunstgewerbeschule in Weimar, 1907. They are now in the collection of the Herzogin Anna Amalia Bibliothek (HAAB) in Weimar with 61 titles recorded. The bindings for many of these are in leather or vellum with printed paper or linen sides. Others are bound in linen or English buckram. These "simpler" W. Collin bindings are described by Sellinat and Simon-Ritz as being closer to publishers bindings in quality, and indeed the textblocks in many cases are from Reclam's Universal Bibliothek and similar.
Van de Velde also designed Kessler's apartment and library. Images can be seen in the Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte - BildarchivFoto Marburg.From Frank Sellinat und Frank Simon-Ritz. "Henry van de Velde als Buch- und Bibliotheksgestalter in Weimar," Imprimatur: ein Jahrbuch für Bücherfreunde. N.F. 23. 2013. München: Ges. der Bibliophilen. (S. 305-322). The illustrated article also highly interesting and valuable for its treatment of book design and binding, especially for books meant to be used. The article is not available online, and I am thankful to Mr. Sellinat for sharing it with me.
Overall, the HAAB holds over 90 volumes bound by W. Collin.
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